Warum My Voice My Choice nicht von der EU Kommission angenommen werden sollte
Die EU hat kein Recht, Abtreibungen in den Mitgliedstaaten zu regeln, weil dies ausdrücklich eine nationale Kompetenz ist. Die Rechtsgrundlagen der EU – konkret die EU-Verträge – schließen eine Zuständigkeit der EU für Fragen des Schwangerschaftsabbruchs aus. Abtreibungen sind ohnehin in Europa bereits fast überall sehr großzügig geregelt.
Rechtsgrundlagen und Zuständigkeit
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Die Gesetzgebung zu Schwangerschaftsabbrüchen fällt laut Artikel 4 (1) und Artikel 5 des Vertrags über die Europäische Union (EUV) in die ausschließliche Verantwortung der Mitgliedstaaten. Die EU besitzt in der Gesundheitspolitik und insbesondere beim Thema Abtreibung keine Harmonisierungskompetenz, sondern darf lediglich koordinieren oder Empfehlungen aussprechen.
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Nach Artikel 168 Absatz 7 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) müssen EU-Maßnahmen die nationale Gesundheitspolitik respektieren, einschließlich der Organisation und Erbringung von Gesundheitsdienstleistungen – das betrifft ausdrücklich auch Abtreibungen.
Subsidiaritätsprinzip und politische Realität
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Das sogenannte Subsidiaritätsprinzip legt fest, dass politische Entscheidungen möglichst nah an den Bürgern getroffen werden sollen, also vorrangig durch Nationalstaaten, sofern kein zwingender Grund für eine europäische Regelung besteht. Der Bereich des Abtreibungsrechts wird von den Staaten als hoheitliche nationale Aufgabe betrachtet und nicht an die EU abgetreten.
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Selbst politische Initiativen, die ein Recht auf Abtreibung in die EU-Grundrechtecharta aufnehmen wollen, erfordern die Zustimmung aller Mitgliedstaaten – dies ist angesichts der divergierenden nationalen Regelungen und politischen Prioritäten kaum realistisch.
Fazit
Das EU-Recht sieht keine Kompetenzübertragung an die EU in Abtreibungsfragen vor. Deshalb ist jede entsprechende Gesetzgebung ausschließlich Sache der nationalen Parlamente. Die EU kann maximal koordinierend oder beratend wirken, jedoch keine verbindlichen Regelungen zur Abtreibung schaffen.
Warum ist die Bürgerinitiative My Voice, My Choice trotzdem gefährlich für das Recht auf Leben in den Nationalstaaten?
Die Bürgerinitiative „My Voice My Choice“ versucht, die Kompetenzgrenzen der EU zu umgehen, indem sie keinen direkten Eingriff in die nationalen Abtreibungsgesetze fordert, sondern einen finanziellen und organisatorischen EU-Mechanismus anstrebt. Dieser Mechanismus soll es Frauen aus Ländern mit restriktiven Gesetzen ermöglichen, in liberaleren Staaten Abtreibungen vornehmen zu lassen, wobei die Kosten durch EU-Mittel oder länderübergreifende Vereinbarungen gedeckt werden.
Ansatz und Logik der Initiative
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Die Initiative fordert nicht, nationale Gesetze direkt zu ändern, sondern ein EU-weites Unterstützungs- und Finanzierungsmodell aufzubauen. Hierzu sollen Mitgliedstaaten, die sichere und legale Abtreibungen gewährleisten, auch Frauen aus restriktiveren Ländern versorgen dürfen—mit Kostenübernahme durch einen speziellen EU-Fonds.
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Es handelt sich um einen „Opt-In-Mechanismus“: Staaten können sich freiwillig anschließen und erhalten dann finanzielle Unterstützung für die Versorgung ausländischer Patientinnen. Länder mit restriktiver Regelung sind nicht gezwungen, ihre Gesetze zu ändern; dennoch wird ihren Bürgerinnen ein alternativer Zugang in Europa ermöglicht.
Umgehung der EU-Zuständigkeitsgrenzen
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Formal bleibt die Regelungshoheit bei den Nationalstaaten unangetastet. Die Initiative baut aber Druck auf, indem sie die Kommission auffordert, Förderprogramme und grenzüberschreitende medizinische Versorgung zu ermöglichen.
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Dadurch könnte die Initiative die faktischen Folgen nationaler Beschränkungen umgehen, ohne ausdrücklich die nationale Souveränität (Subsidiaritätsprinzip) zu verletzen—ein Schlupfloch in den engen EU-Kompetenzgrenzen.
Bewertung
Wir sehen darin ein potenzielles Unterlaufen der rechtlichen Grenzen der EU-Kompetenzen, weil das Ziel ein de-facto Zugang zu Abtreibung für alle EU-Bürgerinnen ist, auch wenn das nationale Recht dies nicht vorsieht.
Kurzum: Die Bürgerinitiative nutzt den Spielraum der EU in der Gesundheits- und Sozialpolitik, um mit finanzieller Förderung und freiwilligen Kooperationen der Mitgliedstaaten das Ziel eines europaweiten Zugangs zu Abtreibungen zu erreichen, ohne das Kompetenzverbot der EU formal zu brechen.



