Nur selten erreichte die Orientierungsdebatte über eine allgemeine Impflicht gegen COVID-19 jene Gravitas, die dem ernsten Regelungsgegenstand angemessen gewesen wäre. Stattdessen prägten parteipolitische Opportunitätsgedanken und das Ausklammern sperriger Fakten die fast vierstündige Diskussion. Eine Analyse.
Von Stefan Rehder
Wird unter der Berliner Reichstagskuppel einmal der Fraktionszwang aufgehoben, ist die Rede von einer „Sternstunde des Parlaments“ für gewöhnlich nicht allzu weit. Doch anders als bei der Orientierungsdebatte im April des vergangenen Jahres zur gesetzlichen Neuregelung der Beihilfe zum Suizid verdiente das, was die Volksvertreter diesmal ablieferten, ein solches Prädikat nicht. Dabei hatte Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) bei der Eröffnung der Debatte durchaus einen Ton angeschlagen, der mehr erhoffen ließ: »Eine Impfpflicht wirft fachlich schwierige und rechtlich wie ethisch kontroverse Fragen auf. Sie zwingt uns zu komplexen Abwägungen. Heute tauschen wir uns darüber aus, was für eine allgemein verpflichtende Impfung spricht – und was dagegen. Wir hören Vorschläge, Bedenken, Einwände und sortieren Optionen. Ergebnisoffen, über Fraktionsgrenzen hinweg. Bedenken wir dabei, dass die Menschen in diesen angespannten Zeiten von uns vor allem Orientierung erwarten. Deshalb wünsche ich mir eine faire, respektvolle und konstruktive Debatte.«
Dass daraus über sehr weite Strecken der fast vier Stunden dauernden Debatte nichts wurde, lag daran, dass die Fraktionsführungen offensichtlich andere Pläne hatten. Während die Union versuchte, Bundeskanzler Olaf Scholz als führungsschwach darzustellen, demonstrierten SPD und Bündnis 90/Die Grünen Geschlossenheit. Und so warben die von ihnen ins Rennen geschickten Parlamentarier denn auch ganz überwiegend für die von Bundeskanzler Olaf Scholz und Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach favorisierte allgemeine Impfpflicht ab 18 Jahre. Die Abgeordneten der Union folgten derweil – mit Ausnahme des CDU-Gesundheitspolitikers Erwin Rüddel – den Regieanweisungen ihrer Fraktionsführung und wiederholten gebetsmühlenartig und nur mäßig variiert vor allem zwei Vorwürfe: Da die Regierung keinen eigenen Gesetzesentwurf vorlege, »verweigere« sie »die Arbeit«. Zudem habe sie eine »Kleine Anfrage« der Unionsfraktion erst nach »vier Wochen« und dann auch nur unzureichend beantwortet. »Auf viele Fragen gibt es schlicht gar keine Antworten«, echauffierte sich etwa die CSU-Abgeordnete Andrea Lindholz.
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