Offener Brief
Maike Finnern
Vorsitzende der
Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft
Augsburg, 10.3.2023
Sehr geehrte Frau Finnern,
mit Verwunderung haben wir Ihren offenen Brief zur Kenntnis genommen, in dem Sie sich über die Präsenz der Aktion Lebensrecht für Alle, ALfA e.V., auf der Bildungsmesse didacta beschweren. Sie beklagen eine fahrlässige Fehleinordnung unseres Vereins seitens der didacta Leitung. Die fahrlässige Fehleinordnung ist jedoch sehr viel mehr durch Sie selbst erfolgt. Hätten Sie unseren Stand besucht oder sich auf unserer Homepage über unsere Arbeit informiert, wäre Ihnen dieser Fehler nicht unterlaufen.
Zu den von Ihnen erhobenen Vorwürfen stelle ich fest: Sie sind grundlos.
Sie schreiben: „Die ALfA e.V. ist einer der ältesten Vereine in Deutschland, die über viele Wege versuchen (sic), politische und gesellschaftliche Diskurse und Aktionen gegen geschlechtliche und sexuelle Selbstbestimmung voranzutreiben. Der Verein nutzt dabei bewusst manipulative, oft auch aggressive Methoden die aktive Verbreitung von Falschinformationen (sic).“ Worin genau diese Manipulation und Aggression bestehen soll, legen Sie nicht dar, was auch schwierig sein dürfte, da beides nicht zur Arbeitsweise der ALfA gehört. Geschlechtliche und sexuelle Selbstbestimmung gemäß des Kairoer Abkommens von 1994 sind Anliegen, die die ALfA selbstverständlich vertritt. Sie setzt sich insbesondere für die Frauen ein, deren Recht auf sexuelle Selbstbestimmung durch Druck des Umfelds beschnitten wird, indem es sie zur Beendigung einer Schwangerschaft drängt. Davon sind laut Guttmacher Institut 75 % aller Frauen betroffen, die einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen lassen.
Sie schreiben ferner, die ALfA behandele in ihren Publikationen Themen, die dem Genderbereich zuzuordnen sind, wie beispielsweise queere Lebensweisen. Dass dies nicht zu unseren Aufgaben gehört, hätten Sie ebenfalls erfahren können, wenn Sie – so wie Ihre Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen es getan haben – das Gespräch mit uns an unserem Stand auf der didacta gesucht und sich vor Ort informiert hätten.
Sie nehmen Anstoß an den von uns verteilten Plastik-Föten, die eine natur- und maßstabsgetreue Nachbildung eines vorgeburtlichen Kindes in der 10. Schwangerschaftswoche (p.c.) darstellen. Diese Modelle wurden insbesondere von Biologielehren sehr gerne mitgenommen, die über die entsprechende Fachkenntnis verfügen um einordnen zu können, dass es sich hier durchaus um den tatsächlichen Entwicklungsstand eines Kindes zu diesem Schwangerschaftszeitpunkt handelt – wie übrigens ein Blick in jedes Fachbuch für Embryologie nachweist.
Ihre Behauptung, ALfA Mitarbeiter verteilten diese Modelle vor Beratungsstellen und „medizinischen Versorgungseinrichtungen“ (Sie meinen vermutlich Abtreibungskliniken) entbehrt jeder Grundlage.
Auch Ihre Behauptung, wir würden dazu auffordern, „Kinderbettchen basteln zu lassen“, entspricht nicht der Wahrheit, genauso wie die Aussage, die Märsche für das Leben, an denen die ALfA teilnimmt, seien gegen das Selbstbestimmungsrecht von Frauen und queeren Menschen gerichtet. Das Gegenteil ist der Fall: Das Selbstbestimmungsrecht jedes einzelnen Menschen, völlig ungeachtet seines Alters, Entwicklungsstandes, Geschlechts oder seiner sexuellen Orientierung erachten wir – siehe oben – als ein sehr hohes Gut, das es unbedingt zu schützen gilt. Für die Grenzen des Selbstbestimmungsrechts gilt der vom Philosophen der Aufklärung, Immanuel Kant, formulierte kategorische Imperativ.
Sie sprechen ferner von „Kooperationen“ der ALfA mit „rechten Aktionsgruppen und Publikationen (Zuerst, Junge Freiheit, Compact)“, ohne Quellenangabe oder Zitate. Das verwundert nicht weiter, denn auch hierfür gibt es keinerlei Belege.
Sie halte es als Vorsitzende der GEW für notwendig, „Lehrpersonal“ und „Pädagog*innen“ vor uns zu schützen. Mit Verlaub: Eine solche Herangehensweise ist einer Gewerkschaft, die für sich in Anspruch nimmt, Erziehung und Wissenschaft zu vertreten, in hohem Maße unwürdig. Wer meint, Akademiker und Akademikerinnen seien nicht in der Lage, wissenschaftliche Maßstäbe anzulegen, in einen Diskurs auch mit anderen Denkweisen einzutreten, sich selbst ein Urteil zu bilden, bevormundet und entmündigt diese auf unerträgliche Weise.
Insofern bin ich dankbar, dass sehr viele Ihrer Mitglieder Ihren offenen Brief zum Anlass genommen haben, sich selbst ein Bild von unserer Arbeit auf der didacta zu machen. Sie waren davon beeindruckt. „Ich teile nicht Ihre Meinung, aber ich würde mein Leben dafür einsetzen, dass Sie sie äußern dürfen“, so zitierte einer dieser Kollegen einen weiteren Philosophen der Aufklärung, Voltaire.
Sie fallen mit Ihrer Herangehensweise hinter die Zeit der Aufklärung zurück.
Mit freundlichen Grüßen
Cornelia Kaminski
Bundesvorsitzende der Aktion Lebensrecht