Beam me up, Sarco – Die Todeskapsel kommt zum ersten Mal zum Einsatz
Seit einiger Zeit sorgt die Todeskapsel „Sarco“ für Aufsehen. Sie sieht aus wie ein futuristischer Sarg, und das nicht von ungefähr: Wer sich dort hineinlegt, kann durch Knopfdruck Stickstoff in die Kapsel leiten und sich so selbst töten. Das hat eine 64jährige Amerikanerin am 23.9. getan und damit den Einsatz der Staatsanwaltschaft ausgelöst, die am Tatort ihre Leiche vorfand und mehrere Personen verhaftete. Der Vorwurf lautet auf Verleitung und Beihilfe zum Selbstmord. Zu den Verhafteten gehört auch der Co-Präsident der Schweizer Sarco-Organisation „The Last Resort“ (der letzte Ausweg), Florian Willet.
Man kann davon ausgehen, dass das „Sarco“-Team den Todeszeitpunkt sehr bewusst gesetzt hat. Am selben Tag hatte die Schweizer Innenministerin Elisabeth Baume-Schneider dem Nationalrat erklärt, dass sie einen Einsatz der Todeskapsel in der Schweiz für rechtswidrig hält. Statt über die Unrechtmäßigkeit der Todeskapsel zu debattieren, steht jetzt dessen erste erfolgreiche Nutzung im Focus der medialen Aufmerksamkeit. Für das Sarco-Team um Florian Willet, Philipp Nitschke, den australischen Erfinder der Kapsel, und seine Partnerin Fiona Stewart ist das sehr erfreulich: Sie haben sich bewusst beeilt, um eine erste erfolgreiche Nutzung vermelden zu können, bevor die gesellschaftliche Stimmung so negativ geworden wäre, dass sie weitere Nutzer abgeschreckt hätte.
Die negative Stimmung kommt nicht von ungefähr. Im Juli war bekannt geworden, dass die 55jährige Amerikanerin Jessica Campbell, die sich mittels Sarco hatte töten wollen, von dem Vorhaben Abstand genommen hatte – allerdings hatte sie zu dem Zeitpunkt schon ihr gesamtes Vermögen ausgegeben. Willet und Stewart hätten z.B. darauf bestanden, ihre eigenen Ausgaben – Lebensmittel, Restaurantrechnungen, Tickets, sogar Spielzeug für Stewarts Hund – von Campbells Kreditkarte abzubuchen, schließlich brauche sie ihr Geld sowieso nicht mehr. Die Behauptung des Marketingteams von Sarco, mehr als 20 Euro für Stickstoff würde der Tod im Sarco nicht kosten, darf damit hinterfragt werden.
Auch die nun erfolgte Verhaftung der Verantwortlichen ist Kalkül. Das Sarco-Team will damit einen Rechtsstreit provozieren. Darin soll die rechtmäßige Nutzung des Sarco in der Schweiz festgestellt werden. Ein entsprechend positives Gutachten aus 2021 liegt dem Team vor.
Der Sarco, der optisch wie eine Kreuzung aus Raumfahrtkapsel und Sarg daher kommt und dessen Design nahezu als einladend bezeichnet werden kann, ist die greifbare Glorifizierung eines Aktes, der schrecklicher nicht sein könnte. Wer sich selbst tötet, wirft damit Gott und der Gesellschaft das kostbarste vor die Füße, was er besitzt: sein eigenes Leben. Mag sein, dass es beschwerlich geworden ist, mag sein, dass man des Lebens überdrüssig ist und man daher in einem letzten Akt vermeintlicher Autonomie meint, selbstbestimmt eine endgültige Lösung herbeiführen zu können. Tatsache ist: Jeder Selbstmord hinterlässt ein traumatisiertes Umfeld, in dem nicht wenige Personen anschließend selbst suizidgefährdet sind. In Kanada steigen die Zahlen des assistierten Suizids unaufhörlich – innerhalb von 7 Jahren um 1500 %. Die Sterbeorganisation Exit, die auch mit Sarco kooperiert, baut mittlerweile ihr Angebot in Schweizer Pflegeheimen aus. Die Zahl der Exist-assistierten Suizide in Alters- und Pflegeheimen steigt jährlich im zweistelligen Prozentbereich. Das ist keine „positive Entwicklung“, wie es auf der Homepage von Exit heißt, sondern eine gesellschaftliche Bankrotterklärung. Wer einen letzten Akt der totalen Verzweiflung glorifiziert, statt Geld und Forschung in die Suizidprävention zu investieren, begeht ein Verbrechen gegen die Menschenwürde und gegen eine humanitäre Gesellschaft.