»Tötung ist irreversibel«
Von Stephan Baier – Im Schatten des Karlsruher Urteils und im unmittelbaren Vorfeld einer Entscheidung des österreichischen Verfassungsgerichtshofs packten die ersten »Salzburger Bioethik-Dialoge« Anfang Oktober ein heißes Eisen an: die Euthanasie in ihren vielen Facetten.
So viel Aktualität hätte das »Salzburger Ärzteforum für das Leben « seinem Kongress gar nicht gewünscht. Als die von der Erzdiözese Salzburg unterstützte hochkarätige Ärzte-Runde im Vorjahr mit der Planung ihrer ersten »Salzburger Bioethik-Dialoge« begann, waren weder das Urteil des deutschen Bundesverfassungsgerichts absehbar noch die Verhandlungen des österreichischen Verfassungsgerichtshofs über vier Klagen gegen das bestehende Verbot der »Mitwirkung am Selbstmord« (§ 78 Strafgesetzbuch) und der »Tötung auf Verlangen« (§ 77). So gewann die Expertentagung unter dem Leitwort »Modernes Sterben: Aufgaben und Grenzen der Medizin am Lebensende «, an der auch die Ärztekammer Salzburg, die Hospiz-Bewegung und die Medizinische Universität der Mozartstadt mitwirkten, plötzlich an politischer Brisanz. »Jede Gesellschaft besitzt einen normativen Kern«, und den habe das deutsche Grundgesetz nach dem totalitären Absturz der Deutschen unter Rückgriff auf den Naturrechtsgedanken gesetzt, postulierte Udo Di Fabio, langjähriger Richter am Bundesverfassungsgericht, in seinem fulminanten Eröffnungsvortrag, der Corona-bedingt per Videoschaltung in den Salzburger Congress übertragen wurde. Die Selbstvergewisserung im Grundgesetz bedeute, dass der Mensch niemals Mittel für irgendeinen Zweck sei. Nun jedoch drohe eine »tektonische Verschiebung im Würde-Verständnis und im Menschenbild«. Neuerlich werde ein »fester Kern gesucht«, denn die »metaphysische Sehnsucht muss in jeder Epoche gestillt werden«, so Udo Di Fabio. Viele Menschen würden spüren, dass ohne diesen Kern eine Entwicklung eingeleitet werde, an deren Ende es keine freiheitliche Rechtsordnung mehr gibt. Nicht nur alternative Menschenund Gesellschaftsvorstellungen, wie etwa in China, sondern auch die Fortschritte in der Medizin machten mit Blick auf das Lebensende die Frage dringlicher, wie lange lebenserhaltende Maßnahmen verlängert werden sollen, etwa wenn keine Willenserklärung möglich ist. Dahinter stehe die Urangst des Menschen, »nicht vor dem Tod, sondern vor dem qualvollen Tod«, aber auch vor Verfall und Einsamkeit, so der Bonner Staatsrechtler. Di Fabio beklagte in diesem Zusammenhang das Verblassen der Tradition …
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