Offener Brief an Chefarzt Prof. Dr. Joachim Volz
Wir dokumentieren hier den Brief an Chefarzt Prof. Dr. Joachim Volz, der nach der Fusion zweier Krankenhäuser in Lippstadt vom nun katholischen Träger untersagt bekommen hat, weiterhin Abtreibungen durchzuführen – auch in seiner Privatpraxis, nach eigener Beschreibung eine „Kinderwunschpraxis“. In erster Instanz wurde seine Klage abgelehnt, es ist davon auszugehen, dass er weitere Instanzen bemühen wird. Wir sind – wie immer – an einem offenen Austausch interessiert und haben Prof. Volz daher um Beantwortung der unten stehenden Fragen gebeten.
Prof. Dr. Joachim Volz 10.9.2025
Adenauerplatz 7
33602 Bielefeld
Sehr geehrter Herr Prof. Volz,
seit geraumer Zeit stehen Sie im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses, da Sie gegen Ihren Dienstherren – die katholische Kirche – gerichtlich vorgehen. Ihnen wurde untersagt, weiterhin Schwangerschaftsabbrüche durchzuführen; dies wollen Sie nicht hinnehmen.
Verschiedene Zeitungen berichten, sofern wir das überblicken können, überwiegend sehr positiv über Ihr Vorgehen, das Sie als Einsatz für Ihre Patientinnen begreifen. Sie beklagen zudem, dass es in der „Abtreibungsdebatte“ zu wenig Aufklärung gäbe, was zu einer Abstempelung als „Lebensschützer“ oder „Abtreibungs-Fanatiker“ führe.[1]
Uns ist ebenso wie Ihnen die Aufklärung in der Debatte enorm wichtig. Daher möchten wir Sie bitten, uns auf einige Fragen, die sich auf Grund der Berichte über Sie ergeben haben, Antworten zu geben.
So war zu lesen, dass Sie sich selbst als „lebensbejahend“ beschreiben und als jemand, der Müttern, Vätern und dem Kindeswohl gerecht werden wolle und deswegen Schwangerschaftsabbrüche durchführe, wenn diese medizinisch indiziert seien und die Eltern dies wünschten. Sie möchten ihre Patientinnen „vertrauensvoll, respektvoll und verantwortungsbewusst begleiten.“[2] Personen, die Ihnen gegenüber schriftlich Mitleid mit den betroffenen ungeborenen Kindern haben, entgegen Sie: „Das berührt mich wenig, ich empfinde Mitleid mit dem betroffenen Paar.“[3]
Sie werden zudem mit den Worten zitiert: „Wenn man eine Schwangerschaft beendet, leidet kein Kind, denn es ist noch nicht da. Die Vorstellung, dass dies anders sei, ist eine dogmatisch verzerrte Wahrnehmung.“[4] Aus diesem Verständnis heraus ist auch der Satz erklärbar, mit dem Sie im Deutschen Ärzteblatt zitiert werden: „Nach meiner Auffassung sollte eine Schwangerschaftsbeendigung in jeder Phase möglich sein, wenn die Mutter sich nach eigener
Einschätzung in einer seelischen Notlage befindet – sei es wegen einer Erkrankung des Kindes, einer Vergewaltigung oder aufgrund der Schwangerschaft selbst.“
Uns interessieren diese Aussagen sehr. Gerne möchten wir daher mit Ihnen in einen Austausch eintreten und bitten um Beantwortung unserer Fragen.
- Sie halten es für gerechtfertigt, dass die Schwangerschaft zu jedem Zeitpunkt abgebrochen werden kann, wenn die Schwangere nach eigener Einschätzung durch diese Schwangerschaft in eine seelische Notlage gerät. Wie definieren Sie „seelische Notlage“? Welche Kriterien sollten Ihrer Ansicht nach für die Selbsteinschätzung der Frauen heran-gezogen werden? Halten Sie Missbrauch einer solchen Regelung für grundsätzlich ausge-schlossen?
- Sie wollen „dem Kindeswohl“ gerecht werden, so eine andere Aussage. Inwieweit dient die Behandlungsform, die Ihnen nun untersagt wurde, dem Kindeswohl?
- Sie geben an, durch Ihre Behandlung in einer schwierigen Situation eine Verbesserung er-reichen zu können. Welche Verbesserungen der schwierigen Situation können Sie für die ungeborenen Kinder durch Ihre Behandlungen erreichen?
- Der respektvolle, vertrauensvolle und verantwortungsbewusste Umgang mit Ihren Patientinnen ist Ihnen wichtig. Gilt dieser Anspruch auch für die ungeborenen Kinder? Und wenn ja: Im Fall, dass eines von ihnen bei Ihrer Behandlung verstirbt, wie erkennt ein außenstehender Beobachter, dass Sie respektvoll, verantwortungsbewusst und vertrauensvoll mit ihm umgegangen sind?
- Laut aktueller wissenschaftlicher Studienlage ist ein fetales Schmerzempfinden bereits im ersten Trimester gegeben. Wie schließen Sie aus, dass die von Ihnen behandelten Kinder keine unnötigen Schmerzen empfinden?
- Wie sieht das Komplikationsmanagement in Ihrer Klinik aus – gibt es Fälle von Kindern, die nach Ihrer Behandlung noch länger gelebt haben? Wie gehen Sie mit solchen Fällen um?
- Gibt es Rückmeldungen von Schwangeren, die darunter leiden, dass ihre ungeborenen Kinder bei der Behandlung durch Sie verstorben sind?
- Empfinden Sie deswegen kein Mitleid mit den ungeborenen Kindern, weil diese nach Ihrer Aussage noch gar nicht da sind? Ab wann ist nach Ihrer Vorstellung das Kind da?
Wir würden uns über eine Antwort auf unsere Fragen sehr freuen, da wir an einem sachlichen und fundierten Informationsaustausch interessiert sind.
Mit freundlichen Grüßen
Cornelia Kaminski (Bundesvorsitzende)
[1] Neue Osnabrücker Zeitung, 30.8.2025. www.noz.de/deutschland-welt/politik/artikel/abtreibungs-verbot-in-katholischer-klinik-wie-chefarzt-joachim-volz-weiter-vorgeht-49165836. Abgerufen am 9.9.2025.
[2]Legal Tribune Online, 22.5.2025. https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/arbg-hamm-2ca182-25-chefarzt-volz-klinikum-lippstadt-katholisch-weisung-schwangerschaftsabbruch#:~:text=Joachim%20Volz%20(67)%20ist%20%22,und%20die%20Eltern%20dies%20w%C3%BCnschen. Abgerufen am 9.9.2025
[3] Neue Osnabrücker Zeitung, 30.8.2025
[4] Neue Osnabrücker Zeitung, 30.8.2025.