Abtreibung in die Verfassung?
Von der Ausnahme zur bürgerlichen Freiheit: Eine Verankerung der Abtreibung in der französischen Verfassung würde eine tektonische Verschiebung in der Frage der Abtreibung bedeuten.
Von Franziska Harter
Die Bastion ist gefallen. Am 1. Februar hat die zweite Kammer mit konservativer Mehrheit in erster Lesung einem Gesetzesvorschlag zugestimmt, der in letzter Konsequenz dem Anspruch auf Abtreibung einen verfassungsrechtlichen Rang verleihen würde. Mehrere Anläufe hatte es gebraucht, um den französischen Senat sturmreif zu schießen: Einen ersten Anlauf zur Einschreibung
eines »Rechts« auf Abtreibung in die Verfassung haben die Senatoren im vergangenen Herbst abgeschmettert. Ein erneuter Gesetzesvorschlag erreichte auf Initiative der Abgeordneten
Mathilde Panot aus der kommunistischen Partei »La France insoumise« zunächst am 24. November in der Nationalversammlung mit abgeschwächter Formulierung eine breite Mehrheit aus Abgeordneten der Regierungskoalition, des Linksbündnisses und dem rechten »Rassemblement National«. »Das Gesetz garantiert den effektiven und gleichen Zugang zum Recht auf freiwilligen Schwangerschaftsabbruch«, hieß der Text, der im Rechtsausschuss des Senats zunächst ebenfalls Ablehnung fand. Die Formulierung, die der Senat auf Vorschlag des »Républicains«-Senators Philippe Bas schließlich mit knapper Mehrheit annahm, lautet jetzt: »Das Gesetz legt die Bedingungen fest, unter denen dieFreiheit der Frau, ihre Schwangerschaft zu beenden, ausgeübt wird.«
Der Zugang zur Abtreibung ist in Frankreich aktuell im Gesetz »Veil« von 1975 geregelt, das auf die damalige Gesundheitsministerin SimoneVeil unter Präsident Valéry Giscard d’Estaing zurückgeht.