Die ALfA – Wahlprüfsteine für die Europawahl
Die ALfA – Wahlprüfsteine für die Europawahl
Zur Auswahl der Fragen: Die meisten Parteien sehen bei der Einreichung der Wahlprüfsteine eine begrenzte Zeichenzahl vor, so dass wir uns kurz gefasst haben und vor allem aktuelle europäische Minenfelder in den Blick genommen haben.
- Die SoHo Verordnung definiert menschliche Embryonen als „Substanzen menschlichen Ursprungs“. Personale Würde haben sie damit nicht mehr.
- Für die Aufnahme eines solchen Grundrechts ist Einstimmigkeit der Mitgliedsstaaten notwendig.
- Informationen zum Matic-Bericht finden sich hier.
- Zu den hoheitlichen Kompetenzen der Mitgliedsstaaten zählt u. a. Gesundheitsvorsorge, Regelungen, die bioethische Fragestellungen berühren, sowie strafrechtliche Regeln.
- Die EU-Richtlinie Gewalt gegen Frauen verlangt von den Mitgliedsstaaten, „dass Opfer sexueller Gewalt im Einklang mit dem nationalen Recht rechtzeitig Zugang zu Gesundheitsdiensten, einschließlich Diensten im Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit, haben. (3) (4) (5) Die in den Absätzen 1 und 2 des vorliegenden Artikels genannten Dienste müssen unbeschadet der Dienste, die im Rahmen des nationalen Gesundheitssystems erbracht werden, kostenlos und an jedem Wochentag zugänglich sein. Sie können Teil der in Artikel 25 genannten Dienste sein. Die Mitgliedstaaten sorgen für eine ausreichende geografische Verteilung und Kapazität der in den Absätzen 1 und 2 genannten Dienste in ihrem gesamten Hoheitsgebiet.“ Solche „Dienste im Bereich reproduktive Gesundheit“ sind, vor allem im Kontext sexueller Gewalt, Abtreibungseinrichtungen.
Die Istanbul-Konvention, auf die sich die Antwort der CDU bezieht, wurde von mehreren Staaten (z.B. Israel, Slowakei, Polen, Bulgarien, Ungarn) nicht unterzeichnet. Die Definition des Begriffs „Geschlecht“ in Art. 3 (c) der Istanbul-Konvention entspricht voll und ganz den Auffassungen der Vertreter des extremen Feminismus, z. B. von Judith Butler. Dies bedeutet, dass ein bestimmtes Geschlecht – sozial strukturierte Rollen, Verhaltensweisen, Tätigkeiten und Eigenschaften, die eine Gesellschaft als für Frauen oder Männer angemessen erachtet – sowohl von einem Mann als auch von einer Frau angenommen werden kann. Im Prinzip macht die Konvention es damit unmöglich, eindeutig zu identifizieren, wer von ihr profitieren soll.
Wir ergänzen Positionen der ÖdP, die zwar von uns keine Wahlprüfsteine erhalten hat, sich aber in ihrem Europawahlprogramm sehr deutlich für den Lebensschutz positioniert hat.
Unsere Fragen – und die Antworten der Parteien:
1. Die „Verordnung über Qualitäts- und Sicherheitsstandards für zur Verwendung beim Menschen bestimmte Substanzen menschlichen Ursprungs“ [1] des europäischen Parlaments ist mit dem deutschen Embryonenschutzgesetz nicht vereinbar. Was ist Ihre Position dazu?
AfD
Aus Respekt vor der Schöpfung und dem Leben darf es keine Versuche mit Embryonen geben. Die AfD befürwortet die restriktiven Einschränkungen des Embryonenschutzgesetzt und lehnt es ab, dieses durch die Umsetzung der „Verordnung über Qualitäts- und Sicherheitsstandards für zur Verwendung beim Menschen bestimmte Substanzen menschlichen Ursprungs“ zu verwässern.
Bündnis C
Der Begriff „Substanz menschlichen Ursprungs“ bezieht sich in der Verordnung nicht nur auf nicht befruchtete Keimzellen (Samen- und Eizellen sowie präparierte Eizellen), sondern erfasst auch Embryonen und Föten, u. a. aus medizinisch unterstützter Fortpflanzung. Damit wird ungeborenes menschliches Leben zur bloßen „Substanz menschlichen Ursprungs“ degradiert und zu bestimmten medizinischen Zwecken freigegeben. In Deutschland ist die Nutzung von Embryonen lt. Embryonenschutzgesetz vom Anwendungsbereich des Transplantations- und des Arzneimittelgesetzes ausgeschlossen. Dies darf nicht von Unionsrecht ausgehebelt werden. Vorgeburtliches menschliches Leben muss vollumfänglich geschützt bleiben. Die Verordnung darf nicht in die von den Mitgliedstaaten getroffenen Bestimmungen zum Einsatz und Verwendungszwecken von Substanzen menschlichen Ursprungs eingreifen. Nationales Recht hat im medizinischen Bereich Vorrang.
CDU/CSU
Die Würde aller Menschen ist unantastbar. Wir achten jeden Menschen als einmalige und unverfügbare Person in allen Lebensphasen. Das Leben des Menschen – auch des ungeborenen und des sterbenden – ist stets zu schützen. In schwierigen Fragen der Biomedizin, die uns in ethische Grenzbereiche führen, ist dieses Menschenbild für uns Ausgangs- und Orientierungspunkt. Deshalb gilt für CDU und CSU die Maßgabe, dass es auch bei einer zeitgemäßen Fortpflanzungsmedizin niemals zu einer Aufweichung ethisch-rechtlicher Schutzstandards kommen darf.
FDP
Die „Verordnung über Qualitäts- und Sicherheitsstandards für zur Verwendung beim Menschen bestimmte Substanzen menschlichen Ursprungs“ des europäischen Parlaments ist mit dem deutschen Embryonenschutzgesetz nicht vereinbar. Was ist Ihre Position dazu?
Wir Freie Demokraten setzen uns für hohe Sicherheitsstandards für Spenderinnen und Spender sowie Empfängerinnen und Empfänger von Substanzen menschlichen Ursprungs ein und wollen zu einem vereinfachten grenzüberschreitenden Austausch innerhalb der Europäischen Union im Sinne der Bürgerinnen und Bürger beitragen. Darüber hinaus vertreten wir die Auffassung, dass das mittlerweile über 30 Jahre alte deutsche Embryonenschutzgesetz weder die medizinischen noch die gesellschaftlichen Entwicklungen der vergangenen Jahrzehnte hinreichend abbildet. Vor diesem Hintergrund treten wir auf nationaler Ebene für eine umfängliche Reformierung ein. Im Übrigen erkennen wir Freie Demokraten den Grundsatz des Vorrangs des Rechts der Europäischen Union im Einklang mit den EU-Verträgen an und werden im Zuge einer Reform die Europarechtskonformität sicherstellen.
SPD
Aus Sicht der SPD ist eine mit der Verordnung über Qualitäts- und Sicherheitsstandards für zur Verwendung beim Menschen bestimmte Substanzen menschlichen Ursprungs angestrebte Anhebung des Qualitäts- und Sicherheitsniveaus in der EU im Bereich der SoHO sehr erstrebenswert. Auch gegen eine Regelung des Umgangs mit Blut und Blutbestandteilen, mit menschlichem Gewebe und Zellen sowie weiteren SoHO in einem Rechtsakt erheben wir keinen Widerspruch. Nach der herrschenden Rechtssystematik wird die Rechtmäßigkeit der europäischen Verordnungen nicht an den nationalen Gesetzen gemessen. Daher wäre die angefragte Positionierung zur Vereinbarkeit der Verordnung mit nationalem Gesetz bedeutungslos und ist damit nicht erstrebenswert. Eine Überprüfung der Vereinbarkeit des deutschen Embryonenschutzgesetzes mit der o.g. Verordnung bedarf dagegen eines gültigen europäischen Aktes, der derzeit noch nicht erlassen worden ist.
Die Position der ÖDP:
Die ÖDP fordert einen umfassenden Embryonenschutz, wozu das Verbot der Herstellung und Einfuhr menschlicher embryonaler Zelllinien zält.
2. Das Europaparlament hat beschlossen, ein Recht auf Schwangerschaftsabbruch in die Grundrechtecharta aufzunehmen. Werden Sie sich dafür einsetzen, dass Deutschland dies verhindert?
AfD
Bei jeder Abtreibung wird ein Mensch getötet. Ein Recht auf Abtreibungen über das Lebensrecht der ungeborenen Kinder zu setzen, ist an Menschenverachtung kaum zu überbieten. Die AfD will zwar die Strafverfolgung bei Abtreibungen nicht wieder aufnehmen, sieht es aber als erforderlich an, die Anzahl auf das absolute Minimum zu reduzieren. Ein Recht auf Abtreibung lehnt die AfD ab und wird versuchen, dies in Deutschland zu verhindern.
Bündnis C
Ja, wir werden uns dafür einsetzen, dass Deutschland dieser Änderung der Grundrechtecharta nicht zustimmt, und dafür auch mit Abgeordneten aus anderen Mitgliedsstaaten zusammenarbeiten, damit deren Regierungen dagegen votieren.
CDU/CSU
Respekt vor der Schöpfung und Akzeptanz eines jeden Lebens sind Grundpfeiler des christlichen Menschenbilds, das unserer Verfassung zugrunde liegt. Dieser Maßstab gilt für uns auch beim Abtreibungsrecht. Auch das ungeborene Leben muss geschützt werden. Nach Auffassung von CDU und CSU und auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat das ungeborene Leben bereits Grundrechte – auch gegenüber der Mutter. Wir unterstützen nur EU-weite Regelungen, die das Selbstbestimmungsrecht der Frau und zugleich das Lebensrecht des ungeborenen Kindes sowie Hilfen im Schwangerschaftskonflikt berücksichtigen.
FDP
Wir Freie Demokraten fordern, dass das Recht auf die gesundheitliche Versorgung mit einem sicheren Schwangerschaftsabbruch in Europa gewährleistet werden muss und dass die reproduktiven Rechte in allen Mitgliedstaaten geachtet werden müssen.
SPD
Nein. Das Recht auf sicheren und legalen Schwangerschaftsabbruch soll in der EU-Grundrechtecharta verankert werden. Das Europäische Parlament hat im April 2024 in einer Resolution gefordert, das Recht auf Abtreibung in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union zu verankern. Die SPD-Spitzenkandidatin zur Europawahl und Europaabgeordente Katarina Barley und weitere sozialdemokratische Abgeordnete haben dieser Resolution zugestimmt.
Die Position der ÖDP
Statt eines Grundrechts auf Abtreibung fordert die ÖDP die Schaffung von kinder- und familienfreundlichen Strukturen in Sozialwesen, Wirtschaft und Arbeitswelt sowie die Bereitstellung von umfassenden Hilfen für Schwangere in Konfliktsituationen, damit ein Ja zum Kind ermöglicht und unterstützt wird und die Abtreibungszahlen gesenkt werden. Dies gilt insbesondere auch, wenn Eltern ein Kind mit Besonderheiten erwarten. Hierzu schreibt die ÖDP in ihrem Europawahlprogramm, sie fordere die konsequente Umsetzung und Weiterentwicklung der EU-Strategie zugunsten von Menschen mit Behinderung, vor allem auch mit Blick auf eine umfassende Unterstützung von Eltern, die ein Kind mit voraussichtlicher Behinderung erwarten oder ein behindertes Kind haben. Auch Vergewaltigungsopfer nimmt die ÖDP in den Blick und fordert Programme zur EU-weiten Adoption von Kindern aus Notsituationen, z. B. solchen, die durch Vergewaltigung von Frauen in Kriegsgebieten gezeugt wurden, sowie medizinische, psychologische und materielle Unterstützung von Frauen in Notsituationen während der Schwangerschaft und nach der Geburt.
3. Sowohl am Anfang des Lebens (Abtreibung) als auch am Ende (assistierter Suizid) wird erwartet, dass Ärzte die Tötungshandlungen vornehmen (Matic-Bericht). Wie werden Sie sich dafür einsetzen, dass Religions- und Gewissensfreiheit für medizinische Einrichtungen und ihr Personal gewahrt bleiben?
AfD
Sowohl jeder Arzt im Einzelnen als auch jede Einrichtung sollten sich frei entscheiden dürfen, ob sie einen Menschen gezielt töten. Die AfD setzt sich dafür ein, dass dieses Recht gewahrt bleibt.
Bündnis C
Mehrere Berichte der Parlamentarischen Versammlung des Europarats (PACE) unterstreichen, dass das Konzept auf Verweigerung aus Gewissensgründen und angemessene Vorkehrungen dafür gewährleisten soll, dass Religions- und Meinungsfreiheit für alle Bürger sichergestellt wird. Die Richtlinie des Rates 2000/78/EG (Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie)1 etablierte das Konzept angemessener Vorkehrungen. Eine Resolution des EU-Parlaments anerkannte, dass die Pflicht angemessener Vorkehrungen für alle Gründe von Diskriminierung inklusive Glauben und Religion in der EU und nationaler Gesetzgebung verankert werden sollte. Das muss auch für Ärzte gelten, die sich weigern, Abtreibungen vorzunehmen oder Suizidbeihilfe zu leisten und wurde im PACE-Bericht über „Das Recht auf Verweigerung aus Gewissensgründen in der rechtmäßigen medizinischen Versorgung“ bekräftigt.2
CDU/CSU
Wir sehen es als unseren politischen Auftrag an, jedes Leben zu schützen. Wir wollen Eltern bestmöglich unterstützen „ja“ zum ungeborenen Kind sagen – auch in Konfliktsituationen. Ebenso möchten wir Menschen ein Leben in Würde und ohne Schmerzen bis zuletzt ermöglichen. Wenn schwerstkranke und sterbende Menschen wissen, dass sie nicht allein gelassen werden, ist ihr Wunsch nach Sterbehilfe häufig viel geringer. Wir stehen zur Hospiz- und Palliativmedizin. Die sogenannte aktive Sterbehilfe, also die gezielte Tötung eines Menschen auf dessen Verlangen hin, lehnen wir ab.
Weiterhin ist in Deutschland gemäß § 12 Schwangerschaftskonfliktgesetz niemand verpflichtet an einem Schwangerschaftsabbruch mitzuwirken – es sei denn das Leben der Frau ist in Gefahr bzw. es könnte zu einer schweren Gesundheitsschädigung kommen.
Weist ein Angestellter im Gesundheitswesen ausdrücklich und konkret auf seine Überzeugungen hin und stützt sich dabei auf das in Art. 4 des Grundgesetzes verankerte Recht auf freie Religionsausübung, muss der Arbeitgeber dies in vielen Fällen berücksichtigen. Religionsfreiheit bedeutet jedoch auch, dass jeder seinen
Glauben leben darf, nicht aber, dass der Staat stets eine optimale Religionsausübung in allen Lebensbereichen garantieren muss. Wenn die religiösen Einstellungen des Arbeitnehmers mit den betrieblichen Anforderungen nicht vereinbar sind, müssen ggf. beide Seiten überprüfen, ob die Zusammenarbeit sinnvoll ist.
FDP
Wir Freie Demokraten treten für das Selbstbestimmungsrecht ein. Wir halten es daher für richtig, dass die gegenwärtige deutsche Rechtslage Schwangerschaftsabbrüche in einem klar definierten Rahmen straffrei zulässt. Gleichwohl darf keine Ärztin und kein Arzt dazu verpflichtet werden, an einem Schwangerschaftsabbruch mitzuwirken, wenn dieser aus medizinischen Gründen nicht erforderlich ist. Wir wollen Regelungen dafür schaffen, unter welchen Voraussetzungen Menschen Hilfe zur Selbsttötung in Anspruch nehmen und leisten dürfen. Auch hier ist die Gewissensfreiheit medizinischen Personals selbstverständlich zu achten.
SPD
Die SPD spricht sich für das Recht auf und den Zugang zu einem sicheren und legalen Schwangerschaftsabbruch aus. Niemand ist verpflichtet nach dem Schwangerschaftskonfliktgesetz (§12), an einem Schwangerschaftsabbruch mitzuwirken. Ebenso gelten für Ärzt*innen Grundrechte (Art. 12 Abs. 1 GG Berufsfreiheit und Art. 4 Abs. 1 GG Gewissensfreiheit). Dabei bleibt es, für den Anfang wie für das Ende des Lebens. Jedoch muss der Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen staatlicherseits sichergestellt sein. Wir erkennen die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts an, ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben ist Ausdruck persönlicher Autonomie des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Es schließt die Freiheit ein, sich das Leben zu nehmen und hierfür bei Dritten Hilfe zu suchen und diese anzunehmen, wenn sie angeboten wird. Bei diesen schwierigen Lebensentscheidungen soll das medizinische Personal nicht im Stich gelassen werden und sich auf klare EU-weite Haftungsregeln verlassen können.
Die Position der ÖDP
Die ÖDP spricht sich gegen das Recht auf direkte aktive Sterbehilfe aus, da diese die Gefahr birgt, dass Druck auf Alte und Schwerkranke oder ihre Angehörigen ausgeübt wird, einer Tötung zuzustimmen, insbesondere wenn die palliative Versorgung aufgrund von fehlenden Versorgungseinrichtungen oder fehlenden finanziellen Mitteln nicht gewährleistet werden kann.
4. Die rechtliche Regelung von Schwangerschaftsabbrüchen fällt in die hoheitliche Kompetenz der einzelnen Mitgliedsstaaten. Werden Sie sich dafür einsetzen, dass diese Kompetenz respektiert wird?
AfD
Aus Sicht der AfD sollte die EU strikt nach dem Subsidiaritätsprinzip handeln und nur solche Entscheidungen treffen, die auf europäischer Ebene besser geregelt werden können als auf nationaler Ebene. Alle familienpolitischen Fragen und insbesondere auch die Regelung von Abtreibungen gehören in diesem Zusammenhang eindeutig in die nationale Gesetzgebung, um den unterschiedlichen kulturellen Besonderheiten der europäischen Völker Rechnung zu tragen.
Bündnis C
Die Mitgliedstaaten haben das Recht, ihre eigene Reproduktionspolitik festzulegen. Im Einklang mit Artikel 13(1) der Verordnung (EG) Nr. 726/20043 zur Errichtung der Europäischen Arzneimittel-Agentur und Artikel 4(4) der Richtlinie 2001/83/EG4 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel steht es den Mitgliedstaaten ebenso frei, den Verkauf, die Abgabe oder die Anwendung von Verhütungsmitteln oder Abtreibungsmitteln zu verbieten oder zu beschränken. Wir setzen uns zusammen mit Abgeordneten anderer Staaten ein, dass sowohl die nationalen Regierungen als auch EU-Institutionen das Leben von der Empfängnis bis zum natürlichen Tod fördern und schützen und die EU nicht in nationales Recht eingreift.
CDU/CSU
Die Frage wurde gemeinsam mit Frage 2 beantwortet.
FDP
Die EU darf nur dort gesetzgeberisch tätig werden, wo es ihr die Europäischen Verträge ausdrücklich erlauben. Wo dies nicht der Fall ist, muss die EU auf rechtliche Regelungen verzichten.
SPD
Wir fordern eine EU-Charta der Frauenrechte. Wir brauchen einen Katalog zu schützender Grundrechte, absoluter Mindeststandards, wie z. B. den universellen Zugang zu Verhütung, sexueller und reproduktiver Gesundheit, und Rechte, einschließlich reproduktiver Selbstbestimmung sowie sicherer und legaler Schwangerschaftsabbrüche sowie Sexual- und Beziehungserziehung. Auch sichere Schwangerschaftsabbrüche sollten in der EU möglichst allen Menschen kostenlos zu Verfügung stehen, um reproduktive Selbstbestimmung und Gesundheit sicherstellen zu können. Die SPD hat sich in ihrem Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2021 dafür ausgesprochen: „Schwangerschaftskonflikte gehören nicht ins Strafrecht.“
Die Position der ÖDP
Die ÖDP versteht sich als eine europafreundliche Partei, die jedoch die Reformbedürftigkeit erkennt und daher fordert, die Zuständigkeit der EU zu beschränken: Was auf der Ebene der Kommunen, der Regionen oder der Mitgliedsstaaten sinnvoll geregelt werden kann, soll nicht an die EU übertragen werden (Subsidiaritätsprinzip). Ebenso dürfe durch Europarecht bestehendes nationales Recht (soziale, ökologische und demokratische Standards) in einzelnen Mitgliedsstaaten nicht verschlechtert werden (Verschlechterungsverbot). Zudem sei eine größere Transparenz durch ein umfassendes europäisches Recht auf Informationsfreiheit auf allen politischen Ebenen erforderlich.
5. Die EU-Richtlinie zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen überschreitet nach Ansicht einiger Mitgliedsstaaten den rechtlichen Kompetenzbereich der EU. Wie werden Sie sich dafür einsetzen, dass derartige Kompetenzüberschreitungen zukünftig unterbleiben?
AfD
Gewalt gegen Frauen ist genauso zu verurteilen, wie jede andere Form von Gewalt. Es ist leider immer häufiger die Tendenz zu beobachten, dass der Gewaltbegriff auch auf solche Sachverhalte ausgedehnt wird, die weder psychische noch physische Gewalt betreffen, um eine positive Diskriminierung zu erzeugen. Es ist nicht ersichtlich, warum eine Gesetzgebung gegen Gewalt auf EU-Ebene erfolgen sollte. In diesem Zusammenhang wird auch auf das Subsidiaritätsprinzip aus er Antwort auf Frage 4 verwiesen.
Bündnis C
Der Rat hat verhindert, dass die Richtlinie EU-einheitliche Standards für den Straftatbestand der Vergewaltigung setzt. Damit wurde die im Entwurf vorgesehene Vereinheitlichung im Sexualstrafrecht abgewendet, weil Strafrecht Ländersache ist. Der Vertrag über die Arbeitsweise der EU (AEUV) sieht Ausnahmen davon nur in Bereichen besonders schwerer Kriminalität mit grenzüberschreitender Dimension vor wie Terrorismus, Drogenhandel, Waffenhandel, organisierter Kriminalität und Menschenhandel. Darunter fällt der Straftatbestand von Vergewaltigung nicht und wurde deshalb auch von Deutschland als Teil der Richtlinie verhindert. Gleichzeitig tangieren andere Bereiche der Richtlinie ebenso z. B. das Ehe- und Familienrecht, das nationale Kompetenz ist. Im Europaparlament wird mehr darauf zu achten sein, dass Gesetzesentwürfe sich auf die Zuständigkeitsbereiche der EU beschränken und nicht deren Kompetenzen überschreiten.
CDU/CSU
Wir brauchen den entschiedenen politischen Willen, gegen Gewalt an Frauen vorzugehen, sei es im Internet, zu Hause oder anderswo. Einheitliche europaweite Standards sollten ebenso selbstverständlich sein wie verbesserte Zugänge zur Justiz und Opferschutz. Juristische Feinschmeckerdebatten helfen den von sexueller Gewalt bedrohten Frauen nicht weiter. Die Regelungen der Richtlinie zur Gewalt gegen Frauen sind ein weiterer Schritt hin zu einem einheitlicheren und besseren Gewaltschutz für Frauen im Sinne der Istanbul-Konvention.
FDP
Die FDP schreibt: „Vergleiche Antwort Frage 4“.
SPD
Wir wollen Gewalt gegen Frauen gemeinsam bekämpfen und verhindern. Die Annahme der Istanbul-Konvention ist ein starkes Signal der EU, dass gemeinsame Werte nicht verhandelbar sind – Frauenrechte eingeschlossen. Es muss in allen Mitgliedsstaaten der EU selbstverständlich sein, konsequent gegen geschlechtsspezifische Gewalt vorzugehen. Die Istanbul-Konvention muss daher in allen Mitgliedsstaaten der EU ratifiziert und die Vorgaben müssen in nationales Recht übertragen werden. Auch die Richtlinie zur Bekämpfung der geschlechtsspezifischen Gewalt ist ein wichtiger Schritt, um europaweite Mindeststandards beim Schutz der Frauen festzulegen. Wir wollen darüber hinaus gehen und setzen uns dafür ein, dass geschlechtsspezifische Gewalt als europaweiter Straftatbestand anerkannt wird, um damit in Zukunft noch umfangreicher alle Formen der Gewalt gegen Frauen bekämpfen zu können.
Die Position der ÖDP
siehe Frage 4.
6. Leihmutterschaft: vom europäischen Parlament verurteilt – aber das europäische Elternschaftszertifikat erleichtert es, im Ausland produzierte Kinder als eigene Kinder anerkennen zu lassen. Wie setzen Sie sich dafür ein, das Recht der Kinder auf Kenntnis ihrer Herkunft und leiblichen Mutter zu garantieren?
AfD
Zu 6 und 7: Die AfD lehnt jede Form von kommerzieller Leihmutterschaft als Form von Menschenhandel ab und unterstützt das Recht auf Kenntnis der leiblichen Eltern.
Bündnis C
Wir begrüßen die Entschließung des Europaparlaments vom 24.04.24, die Ausbeutung von Leihmutterschaft in die EU-Richtlinie zur Verhütung und Bekämpfung von Menschenhandel aufzunehmen. Damit wird Leihmutterschaft in der EU ein Riegel vorgeschoben, die Kindern die Kenntnis ihrer leiblichen Mutter verwehrt. Das Problem bei grenzüberschreitenden Adoptionen, Samen- oder Eizellspenden und Mehrelternfamilien sind die nationalen Regelungen, die mit dem Elternschaftszertifikat wechselseitig anerkannt werden sollen, egal wie und in welcher Familienkonstellation ein Kind entstanden ist. Damit greift das Elternschaftszertifikat in die Zuständigkeit der Mitgliedsstaaten ein, Familien so zu definieren, wie es ihrem nationalen Rechtsverständnis entspricht. Grundsätzlich können nur die Mitgliedsstaaten gesetzliche Regelungen erlassen, die Kindern in jedem Fall das Recht einräumen, ihre leiblichen Eltern zu erfahren, da Familienrecht nationale Zuständigkeit ist. Mit einer Bindung des Elternschaftszertifikats an diese Bedingung könnte die EU aber darauf hinwirken, dass dieses Recht Kindern EU-weit in den Mitgliedsstaaten garantiert wird. Die endgültige Entscheidung über das Elternschaftszertifikat muss von den Mitgliedstaaten einstimmig getroffen werden und steht noch aus.
CDU/CSU
Die Kenntnis der biologischen Herkunft ist für die Identitätsfindung des Menschen und seine Persönlichkeitsentwicklung von wesentlicher Bedeutung. Das Recht auf Kenntnis der eigenen biologischen Abstammung ist deshalb in Deutschland
verfassungsrechtlich verbürgt (Art. 2 i. V. m. Art. 1 Grundgesetz). Dieses Recht auf Kenntnis der biologischen Herkunft kann beim Fortpflanzungstourismus nicht gewährleistet werden. Die Eizellspende wird im Ausland überwiegend anonym gehandhabt bzw. nicht dokumentiert. Auch deshalb erkennt das deutsche Abstammungsrecht keine Leihmutterschaft an.
FDP
Die Fragen 6 und 7 werden gemeinsam beantwortet.
Wir Freie Demokraten treten für das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung ein. Wir erkennen an, dass eine Ursache für die mitunter nicht bestehende Möglichkeit der Durchsetzung darin besteht, dass Paare, die sich ein Kind wünschen, durch einschränkende nationale Gesetzgebung ins Ausland ausweichen – beispielsweise für eine künstliche Befruchtung mittels Eizellspende oder Inanspruchnahme einer Leihmutterschaft. Daher fordern wir auf nationaler Ebene eine modernes Fortpflanzungsmedizingesetz, durch welches sowohl die Eizellspende als auch die altruistische Leihmutterschaft innerhalb eines klaren Rechtsrahmens ermöglicht werden soll. In diesem Zusammenhang treten wir auf europäischer Ebene dafür ein, dass reproduktive Rechte wie die Eizellspende und altruistische Leihmutterschaft, wenn sie in einem Mitgliedstaat rechtmäßig in Anspruch genommen wurden, in anderen Mitgliedstaaten geachtet und für ihre Staatsbürgerinnen und Staatsbürger nicht unter Strafe gestellt werden. Die Legalisierung und Anerkennung schützen die Interessen aller Beteiligten.
SPD
Die Parteien der Bundesregierung haben in ihrem Koalitionsvertrag 2021 vereinbart, eine Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin einzusetzen, die u.a. Möglichkeiten zur Legalisierung der Eizellspende und der altruistischen Leihmutterschaft prüfen wird. Der Bericht liegt seit Mitte April 2024 vor. Die SPD-Fraktion wird den Bericht sorgfältig prüfen und daraus ihre Schlüssse ziehen. Dem werden wir nicht vorgreifen. Zugleich stellt die SPD die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, wonach es zu den Persönlichkeitsrechten eines Menschen gehört, seine genetische Herkunft zu kennen, nicht in Frage. Wir erkennen diese Entscheidung vollumfassend an und folgen ihr.
Die Position der ÖDP
Die ÖDP stellt sich konsequent gegen jede Kommerzialisierung, welche die Würde des Menschen antastet. Dazu gehören Leihmutterschaften, welche die Beziehung zwischen Mutter und Kind während der Schwangerschaft und ihre Bedeutung für seine weitere Entwicklung missachten, genauso wie kommerzielle Organspenden, welche das Tor zum Missbrauch von Menschen als Ersatzteillager für Organe öffnen. Die ÖDP fordert ein Verbot der Leihmutterschaft und der damit einhergehenden körperlichen und psychischen Ausbeutung von Frauen.
7. Werden Sie sich dafür einsetzen, Frauen in ärmeren EU-Staaten davor zu schützen, durch Leihmutterschaft versklavt zu werden – und wenn ja, wie?
Bündnis C
Wie unter Punkt 6 bereits erwähnt, begrüßen wir die Entschließung des Europaparlaments vom 24.04.24, die Ausbeutung von Leihmutterschaft in die EU-Richtlinie zur Verhütung und Bekämpfung von Menschenhandel aufzunehmen. Nach Zustimmung des Europäischen Rats zur Modifizierung der Richtlinie müssen die Mitgliedstaaten sie in ihrem Strafrecht umzusetzen. Die Richtlinie zielt vor allem auf Personen ab, die Frauen zwingen, als Leihmutter zu fungieren. Wir werden uns dafür einsetzen, dass Leihmutterschaft generell als Ausbeutung bewertet und geahndet wird unter Berücksichtigung aller wirtschaftlichen, emotionalen oder familiären Faktoren, die Frauen dazu zwingen, ihren Körper zu verkaufen.
CDU/CSU
Wir befürworten die Fortpflanzungsmedizin, wenn sie den enormen Leidensdruck ungewollt kinderloser Menschen lindert, treten aber einer Erosion von Grundwerten entgegen. Die Leihmutterschaft ist aus Sicht der CDU und CSU ethisch nicht legitimierbar. Es können in keinem Fall soziale und finanzielle Zwänge, die potenzielle Leihmütter unter Druck setzen, ausgeschlossen werden. Babys dürfen nie Ware sein, Frauenkörper nie Mittel zum Zweck. Wir lehnen Leihmutterschaft daher ab und treten für eine Aufrechterhaltung des Verbots ein.
SPD
Die SPD hat sich im Europäischen Parlament dafür eingesetzt, dass die „Ausbeutung von Leihmutterschaft“ in die Liste der Straftaten in Zusammenhang mit Menschenhandel aufgenommen wurde. Nun müssen alle EU-Mitgliedstaaten innerhalb von 2 Jahren ihr Strafrecht entsprechend anpassen. Demzufolge wird in allen EU-Mitgliedstaaten vor den erzwungenen Leihmutterschaften geschützt. Wir gehen davon aus, dass – wo notwendig – Rechtsanpassungen erfolgen werden, und maßen uns nicht an, irgendjemanden aufgrund seiner finanziellen Möglichkeiten zu verurteilen.
Die Position der ÖDP
siehe Antwort auf Frage 6.
[1] COM(2022)0338 – C9-0226/2022 – 2022/0216(COD)