Alles Kampagne?
Viel hat nicht gefehlt und die Wahl drei neuer Richter für das Bundesverfassungsgericht hätte eine handfeste Staatskrise ausgelöst. Am Ende konnten beinah alle zufrieden sein. Eine Nachbetrachtung der Causa Brosius-Gersdorf.
Von Stefan Rehder
Was zwischenzeitlich viele Insignien einer veritablen Staatskrise aufwies, endete schließlich glimpflich und beinah geräuschlos. Am 25. September wählte der Deutsche Bundestag im zweiten Anlauf drei neue Richter für das Bundesverfassungsgericht. Bei der geheimen Wahl erhielten alle Kandidaten die erforderliche Zweidrittelmehrheit der abgegebenen Stimmen (siehe Tabelle). Spekulationen darüber, wer dabei wem die Stimme versagte, sind müßig. Fest steht: Da CDU/CSU (208 Sitze) und SPD (120 Sitze) im Parlament zusammen nur über 328 der 630 Mandate verfügen, waren sie bei der Wahl ihrer Kandidaten von Beginn an auf die Hilfe der Opposition angewiesen. Ein Faktum, das auch bei der Auswahl der Kandidaten eine Rolle gespielt haben dürfte. Denn mit der ursprünglich von der SPD vorgesehenen Potsdamer Verfassungsrechtlerin Frauke Brosius-Gersdorf hatten die Sozialdemokraten eine Kandidatin für das höchste Richteramt im Staate vorgesehen, die bei Grünen und Linken offene Türen einlief. Ganz anders als bei der bürgerlichen Presse. Nachdem die »Frankfurter Allgemeine Zeitung« (FAZ) Anfang Juli als erste über die Personalie berichtete, überwog in den Redaktionsstuben der etablierten bürgerlichen Medien blankes Entsetzen. Von der FAZ und der »Neuen Zürcher Zeitung« (NZZ) über die »Die Welt« und »Focus« bis hin zu »Cicero« und der katholischen Wochenzeitung »Die Tagespost« hagelte es Kritik. Namhafte Autoren, angefangen beim stellvertretenden »Welt«- Chefredakteur Robin Alexander über die Chefkommentatoren von »Welt« und »Focus«, Andreas Rosenfelder und Ulrich Reitz, die NZZ-Redakteure Oliver Maksan und Jonas Hermann, die FAZ-Redakteure Reinhard Müller und Daniel Deckers bis hin zu den Kolumnisten Jan Fleischhauer (Focus) und Harald Martenstein (Welt), sahen Brosius-Gersdorf äußerst kritisch. Nicht alle aus denselben Gründen, aber alle gut begründet. Und so gab es nicht ein Zitat, das der 54-Jährigen aus ihrem reichen Schrifttum auf die Füße fiel, sondern zahlreiche.

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